HIER WOHNTE UND PRAKTIZIERTE DR. LUDWIG ESSINGER JG. 1881 GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET FLUCHT IN DEN TOD 5.4.1942

Heilbronn-Böckingen, Klingenberger Straße 74

Name Nachname

Ludwig Essinger kam am 9. Januar 1881 in Heilbronn zur Welt. Sein Vater Isidor führte hier seit 1874 ein Aussteuer- und Wäschegeschäft. Ludwig besuchte ab 1889 das Karlsgymnasium und legte zehn Jahre später die Reifeprüfung ab. Ab dem Sommersemester 1902 studierte er in München Medizin. Mitte 1908 ließ sich der promovierte Mediziner in der damaligen Frankenbacher Straße 21 in Böckingen nieder; hier wirkte der beliebte Arzt knapp 30 Jahre, nur unterbrochen durch den Kriegsdienst als Stabsarzt während des Ersten Weltkriegs. Essinger war sozial eingestellt und erließ manch armen Patienten das Honorar. Er blieb ledig; spätestens seit 1920 lebte seine verwitwete Mutter Berta mit im Haushalt, der mehr als 30 Jahre lang von der Christin Friederike Burkhardt versorgt wurde. Sie fungierte auch als Arzthelferin und blieb bis 1942 bei Ludwig Essinger. Bereits am 22. April 1933 verloren die jüdischen Ärzte ihre Zulassung als Kassenarzt. Im September 1938 wurde den jüdischen Ärzten grundsätzlich die Approbation entzogen, sie mussten sich „Krankenbehandler“ nennen und durften nur noch jüdische Patienten behandeln. Wenige Wochen später überfiel ein Trupp junger Nazis zweimal Essingers Wohnung in Böckingen. Er übernahm daraufhin in der Roßkampffstraße in Heilbronn die Praxis eines ausgewanderten jüdischen Arztes. Nach einer kurzen Zeit in einem „Judenhaus“ in der Bergstraße musste Essinger in Sontheim die Betreuung der Bewohner des Hauses Picard übernehmen: Es diente als Ersatz für das jüdische Altersheim in Sontheim und als Sammelstelle für die geplanten Deportationen. Angesichts seiner eigenen Deportation nahm sich Dr. Ludwig Essinger am 5. April 1942 das Leben; er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Sontheim in einem anonymen Grab beigesetzt.

HIER WOHNTE EMIL BAUER JG. 1901 ZEUGE JEHOVAS WEHRDIENST VERWEIGERT FLUGBLATTAKTION 1937 VERHAFTET VERURTEILT 1938 1939 SACHSENHAUSEN TOT 23.5.1940

Heilbronn-Böckingen, Teichstraße 8

Name Nachname

Emil Bauer, Jahrgang 1901, arbeitete als Prokurist bei der Firma Ludwig Müller (genannt „Öl-Müller“); seine Frau Frida war Stickerin. Bauer gehörte zu den Zeugen Jehovas – den „Ernsten Bibelforschern“, die aus ihrer religiösen Überzeugung heraus sowohl den Hitler-Gruß als auch den Wehrdienst verweigerten. Emil Bauer war seit Oktober 1937 wegen Verweigerung einer militärärztlichen Untersuchung in Haft. 1938 stand er wegen der Unterstützung verschiedener Aktionen der Zeugen Jehovas gegen das Hitler-Regime vor einem Sondergericht in Heilbronn. Das Gericht verurteilte ihn zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis; nach Verbüßung der Gefängnisstrafe kam Bauer in das KZ Sachsenhausen bei Oranienburg – Häftlingsnummer 3379 –, wo er im Mai 1940 starb.

HIER WOHNTE HEDWIG EISIG GEB. STRAUSS JG. 1879 DEPORTIERT 1941 ERMORDET IN RIGA

Oststraße 42

Name Nachname

Hedwig Eisig kam am 19. Januar 1879 in Heilbronn zur Welt. Ihre Eltern Max und Karoline Strauss starben beide jung. Hedwig heiratete den Kaufmann Wilhelm Eisig und lebte mit ihrem Mann als Hausfrau in einer Mietwohnung in der Schillerstraße 90. Dem Ehepaar gehörte das Haus Kaiserstraße 6, in dem Wilhelm Eisig bis zu seinem Tod 1927 ein Geschäft für Damenkonfektion betrieb. Nach dem Tod ihres Mannes zog Hedwig Eisig in die Moltkestraße 20 um; das Modegeschäft vermietete sie an Adolf Oppenheimer, der dort ab 1931 mit seiner Frau Thekla „Spiers Schuhwarenhaus“ betrieb. Das Salamander-Schuhgeschäft zählte am 1. April 1933 zu den Läden, die durch die NSDAP „boykottiert“ wurden; schon kurze Zeit später wurde es von Fritz Wacker übernommen. Hedwig Eisig musste das Geschäftshaus in der Kaiserstraße 1938/39 an die Stadt Heilbronn verkaufen. Sie selbst zog 1936 in das von Damenschneider Karl Laut neu erbaute Haus in der Oststraße 42; zwei Monate vor ihrer Deportation musste sie schließlich 1941 in die Klettstraße 5 ziehen. Am 26. November 1941 wurde Hedwig Eisig „nach dem Osten” deportiert und in Riga im Alter von 62 Jahren ermordet.

HIER WOHNTE ARON KERN JG. 1863 DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT TOT 22.9.1942 HIER WOHNTE FRIEDERIKE KERN GEB. REIS JG. 1871 DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT TOT 20.5.1943 HIER WOHNTE DR. HUGO KERN JG. 1896 FLUCHT 1939 PALÄSTINA ÜBERLEBT

Schillerstraße 18

Name Nachname

Friederike Kern wurde 1872 in Schwäbisch Hall geboren, lebte aber später mit ihrem neun Jahre älteren Mann Aron zunächst in dessen Geburtsort Wollenberg. Hier wurde 1896 der älteste Sohn Hugo geboren. Drei Jahre später zog die Familie nach Heilbronn. Aron Kern war selbständiger Kaufmann; die Familie betrieb das „Betten- und Aussteuergeschäft Kern-Reiss“ am Kiliansplatz 1. Im Ersten Weltkrieg diente Aron Kern als Leutnant und erhielt das bayrische Militärkreuz. Der Sohn Hugo war nach seinem Jurastudium Rechtsanwalt in Heilbronn und zudem Vorsitzender des ADAC Heilbronn. Die Nationalsozialisten zwangen das Ehepaar Kern, am 1. Februar 1939 ins jüdische Altersheim in Sontheim zu ziehen, danach in die Frankfurter Straße 46 und schließlich im Mai 1941 in das Haus Picard in Sontheim. Ein Jahr später wurden Aron und Friederike Kern nach Theresienstadt deportiert, wo Aron Kern am 22. September 1942 und seine Frau am 20. Mai 1943 starben. Ihr Haus in der Schillerstraße hatte die Familie Kern für 36.000 Reichsmark verkaufen müssen. Der Sohn Hugo war nach dem Novemberpogrom 1938 17 Tage im KZ Dachau interniert und konnte anschließend nach Palästina auswandern. Seine Schwester Karoline starb in Theresienstadt.

HIER WOHNTE ALBERT HAHN JG. 1880 DEPORTIERT 1941 ERMORDET IN RIGA HIER WOHNTE ARTUR NATHAN HAHN JG. 1913 UNFREIWILLIG VERZOGEN 1939 GUT WINKEL HACHSCHARA-LAGER DEPORTIERT 1943 ERMORDET IN AUSCHWITZ HIER WOHNTE HANS JAKOB HAHN JG. 1923 FLUCHT 1939 LUXEMBURG INTERNIERT DRANCY DEPORTIERT ERMORDET IN AUSCHWITZ HIER WOHNTE MINA HAHN GEB. SELIGMANN JG. 1889 DEPORTIERT 1941 ERMORDET IN RIGA

Sichererstraße 9 (Familie Hahn)

Name Nachname

Albert Hahn aus Berwangen betrieb eine Handelsagentur für Manufakturwaren, seine Frau Mina, geboren 1889 in Eberbach, war Hausfrau. Nach dem Zwangsverkauf des Hauses in der Sichererstraße erfolgte der erzwungene Umzug in ein sogenanntes „Judenhaus“ in der Frankfurter Straße 46. Von dort wurden Albert und Mina Hahn am 26. November 1941 „nach dem Osten“ deportiert. Beide wurden am 1. Dezember 1942 in Riga ermordet. Ihr älterer Sohn Artur war zum Zeitpunkt der Machtergreifung ein junger Mann von ungefähr 20 Jahren. Am 27. September 1939 wurde er nach „Gut Winkel“ bei Spreenhagen, in ein Hachschara-Lager, verschickt: Diese Lager zur „Tauglichmachung“ dienten der organisierten Vorbereitung auf ein Leben in Palästina. Ab 1941 wurden die Einrichtungen der Hachschara durch die Nationalsozialisten in Zwangs-Arbeitslager für jüdische Jugendliche umgewandelt oder ganz aufgelöst. Von dort wurden die jungen Menschen in die Vernichtungslager deportiert – so auch Artur Nathan Hahn, der 1943 deportiert und vermutlich in Auschwitz ermordet wurde. Sein jüngerer Bruder Hans Jakob trat 1937 eine Lehre in Weinheim an, kehrte 1939 nach Heilbronn zurück und floh im März 1939 zunächst nach Luxemburg, wurde aber im Lager Drancy bei Paris interniert und von dort aus nach Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde.